Volker Seitz ist 1975 in Selb geboren. Lebt und arbeitet in Selb. Bereits vor 5 Jahren stellte er in der Galerie Goller aus. Doch seitdem hat sich der Künstler der visuellen und konkreten Poesie auf eine höchst überzeugende Art und Weise weiterentwickelt. Dies wird u.a. dadurch dokumentiert, dass Prof. Eugen Gomringer, sozusagen der Vater der konkreten Poesie, Volker Seitz 2018 in die Neuauflage seines Reclam-Bandes „konkrete poesie“ aufnahm. Er verlieh ihm dadurch zweifellos „höhere Weihen“, wie Jochen Goller in seiner Ansprache am 19.09.2021 zur Vernissage verkündete.  „Der Umgang mit Worten und mit Sprache überhaupt bis hin zum Spiel damit, ist ein weites Experimentierfeld, auf dem sich Volker Seitz mit immer wieder neuen Ideen vortrefflich tummelt.“, Zitat Jochen Goller.

So verwundert es nicht, dass sich die Ausstellung „konkrete und visuelle poesie – seh- und denktexte“ sich in vier unterschiedliche Bereiche aufteilt:
1. Rotationen und Straßenfotografie
2. Axiome und Heimatmaterial
3. Schweigen und Strukturvariationen
4. Runen und Hexenzauber

Blick in die Galerie

Die „konkrete Kunst“ stand Pate, als es Mitte des vorigen Jahrhunderts um die Namensgebung für eine neu entwickelte Ausdrucksform der Poesie ging, die dann den Namen „konkrete poesie“ erhielt. Die konkreten bildenden Künstler hatten sich in ihren Ausdrucksmitteln sehr eingeschränkt: 3 Farben (Grundfarben), 3 Formen (Dreieck, Quadrat, Kreis) und das alles ohne jegliche Anlehnung an die Wiedergabe oder Wiedererkennbarkeit von Realität. Diese Feststellung ist genauso auf die konkrete poesie zu übertragen.

Konkrete Poesie  „will verdeutlichen und überschaubar sein, sie will nachvollziehbar sein, auch provozierend aber einfach, auch rätselhaft sowie sprach- und gesellschaftskritisch. Und natürlich kommt zu dem Umgang mit Worten und Formulierungen, also zu den Aussagen des textlichen Inhalts, sehr oft deren jeweilige optische, die visuelle Anordnung und Gestaltung hinzu.“, so J.Goller.

1. Rotationen oder Straßenfotografie

Volker Seitz benutzt sehr gern und häufig die Kreisform als Gedichtform. Er nennt sie Rotationen. Dabei sind die Kreise stets gleich groß. Nur die Schriftgröße variiert. Die Lettern sind schwarz, der Schriftgrund weiß. Eine Unterschrift begleitet die Rotation und ist ein wesentlicher Bestandteil des Gedichts.

Eine Liaison zwischen Fotografie und Poesie. zwischen Großstadt und Provinz. Auf den ersten Blick meint man, in einer Fotoausstellung zu sein. Das stimmt. Die Hauptrolle spielen jedoch die Rundgedichte in den Fotografien. Da der Poet es nicht schaffen konnte, auf 16 tatsächlichen Fassaden seine runden Gedichte anzubringen, musste Volker Seitz für sich eine Alternative finden: Er wählte in der Realität 16 Fassaden aus und ließ sie von dem Fotografen Manfred Jahreiss fotografieren. Mit Hilfe des Computers wurden die Dichtungen auf die Fassaden im Straßenbild projiziert.

Technik: Fotodruck kaschiert auf Aluminiumplatte
Format: 100 x 50 cm
Schriftart: Futura von Paul Renner

rundlauf (für eugen gomringer)

Ping Pong - Rundlauf

ohne A und O (für max bill)

Ohne Anfang ohne Ende - ohne A und O

grammatischer zirkel (für h. heissenbüttel)

Verfolgte Verfolgen Verfolger Verfolgen - Grammatischer Zikel

ringelpiez

Busch Husch - Ringelpiez

lügner

...Satz ist wahr -- ist falsch - Lügner

patina

Dazu geben weg nehmen - Patina

zen

innercircel - ZEN

iso 2017 mare

ESP - FRA - MCO - ITA... ISO 2017 Mare

lebenslauf

Geburt geht wieder tod beginnt wieder - Lebenslauf

2. Axiome oder Heimatmaterial

Im April 2011 entstand das erste konkrete Gedicht dieser Serie „weißes gold“. Es ist Teil des Zyklus „Heimatgebilde“. Konstellationen, die die Heimat des Künstlers zum Inhalt hat. Selb, die Stadt des Porzellans. In 4 Wörtern wird das Material Porzellan als Ur-Formel festgehalten – natürlich auf Porzellan. Im Sinne von Isaac Newton ein Axiom, ein Grundgesetz: 2 Teile Kaolin, 1 Teil Feldspat , ein Teil Quarz.

Das Gedicht „reicher stein“ eingearbeitet in Kösseine-Granit bestimmt den Mineralbestand des heimischen Fichtelgebirggranit: 1 Teil Glimmer, 6 Teile Feldspat und 3 Teile Quarz.

Mit dem Gedicht „lichter glanz“ aus dem Jahr 2021 schließt er die Reihe regionaler Materialien ab. 7 Teile Quarz, 1 Teil Kalk und 2 Teile Soda werden zu einem transparenten, schimmernden Material verschmolzen.

Technik: Porzellan, Granit und Glas jeweils auf MDF-Platte
Format: 50 x 50 cm (Trägerplatte), 38 x 15,8 cm (Materialplatte)
Schriftart: „Rotis“ von Otl Aicher

weißes gold

konkrete & visuelle poesie Teil 2

reicher stein

konkrete & visuelle poesie Teil 2

lichter glanz

konkrete & visuelle poesie Teil 2

3. Schweigen oder Strukturvariation

Hommage an Eugen Gomringer. Inspiriert von Max Bill, der Nummer 1 der Konkreten. Eine berühmte konkrete grafische Reihe von Max Bill „quinze variations sur un même thèrme“ besteht aus 16 Blättern: 1 Thema und 15 Variationen. Alle Varianten haben die gleiche (Mutter-)Struktur und können auch als Individual-Lösung bestehen.
Das visuelle Gedicht „Schweigen“ von Eugen Gomringer dient Volker Seitz als Mutterstruktur. Dessen Konstellation aus 9 Buchstaben und 14 mal das gleiche Wort greift der junge Poet auf und denkt sich dazu 14 Variationen aus. Dabei ist er bestrebt, neue Worte durch die Änderung von möglichst wenigen Buchstaben zu finden. Und er versucht, in das optische Erscheinungsbild das Wesen der Aussage des neuen Wortes einfließen zu lassen. Z.B. bei „Schaufeln“ ist ein Loch in der Mitte der Worte „frei geschaufelt“.

Technik: Heißfolienprägung auf gummierter Siebdruckpappe

Format: 30 x 30 cm
Schriftart: „Helvetica“ von Max Miedlinger und Eduard Hoffmann

schwelgen

konkrete & visuelle poesie Teil 3

schweizer

konkrete & visuelle poesie Teil 3

schaufeln

konkrete & visuelle poesie Teil 3

4. Runen oder Hexenzauberei

Diese Texte sind zunächst für das Auge gedacht. Doch hinter den Dreiecke liegt ein konstruiertes Runenalphabet. Man kann die Dreiecke somit auch lesen. Der Künstler hat hierfür die beiden Runenreihen „älteres futhark“ und „angelsächsisches futhoc“ analysiert und darauf aufbauend eine sehr konkrete und nachvollziehbare eigene Runenschrift, die „kr“ bzw. „kosmische Runen“ entwickelt. Diese runenbasierte Schrift ist keine Gebrauchsschrift. sondern eher als „Geheimschrift“ zu sehen. Schließlich hat das urgermanische Wort „runo“ die Bedeutung „Geheimnis“. Man liest die Texte zeilenweise im Wechsel von links nach rechts und von rechts nach links. Dieses Stilmittel nennt man „Boustrophedon“ , was soviel wie „ochse, der beim Pflügen wendet“ bedeutet.

Mit Hilfe von „Runen“ thematisiert Volker Seitz Hexenzaubereien. Der gedankliche Hintergrund, den er sich dabei zurechtlegt, ist sehr vielschichtig und reicht von der Entstehung der Runen ca. 100 Jahr nach Christus, über ein Hexenmahnmal des Schweizer Architekten Zumthor in Nord-Norwegen bis zur Entwicklung eigener Runen-Zeichen in Dreiecksform. Dabei achtete er unter der Verwendung bekannter Runen-Buchstaben konsequent darauf, dass die Runen von alters her nur die Senkrechte, genannt den „Stab“, und die Diagonale, genannt den „Zweig“, kennt; nicht also die Horizontale. Deshalb kann optisch kein Rechteck erscheinen, allerdings eine Fülle unterschiedlich ausfallender Dreiecke (Alphabet zeigen).

Technik: Druck kaschiert auf Aluminiumverbundplatte
Format: 75 x 75 cm
Schriftart: „KR“ (kosmische Runen) von Volker Seitz

h + idisi

konkrete & visuelle poesie Teil 4

hänsel + gretel

konkrete & visuelle poesie Teil 4

harry potter + bellatrix

konkrete & visuelle poesie Teil 4

Die Ausstellung war bis zum 31.10.2021 nach telefonischer Terminvereinbarung in der Galerie Goller – Ringstr. 52 in 95100 Selb zu besichtigen.